NVIS im 60-m-Band

Zwischen dem 80- und dem 40-m-Band liegt das für uns Funkamateure in Deutschland seit dem 20.12.2016 freigegebene 60-m-Band – in angloamerikanischen Medien auch als „5 MHz“-Band bezeichnet. Es bietet auch dann innerdeutsche bzw. innereuropäische Kontakte, wenn die Bedingungen auf dem 80- bzw. 40-Meter-Band Verbindungen über nahe oder mittlere Distanzen nicht mehr oder noch nicht möglich machen.

Das 60-m-Band ist deutlich weniger von der dämpfenden D-Schicht beeinträchtigt als das 80-m-Band und daher ideal für NVIS (Near Vertical Incidence Skywave). Damit bezeichnet man die Ausbreitung über die Raumwelle, wenn sehr steil nach oben in die Ionosphäre eingestrahlt wird. Damit sind Distanzen ab etwa 30 km (bis dahin reicht oft die Bodenwelle!) bis zu rund 200 Kilometer und mehr zu überbrücken. Diese Betriebsart wird hauptsächlich im Not- und Katastrophenfunkverkehr sowie beim Militär genutzt. Dabei ist es wichtig, die aktuelle kritische Frequenz (foF2) der Ionosphäre zu kennen – je näher sie an 5,35 MHz liegt, desto steiler eingestrahlte Signale kommen auch tatsächlich wieder zurück und desto kürzer darf die Distanz zwischen Sender und Empfänger sein. Die Information zur aktuellen foF2 liefert online etwa die Ionosonde Juliusruh des Leibnitz-Institut für Atmosphärenphysik an der Uni Rostock [1]. die Ionosonde Dourbes in Belgien [2] oder die Ionosonde Pruhonice in Tschechien [3].

Beispiel-Ionogram der Ionosonde Juliusruh: Die Grenzfrequenz foF2 liegt hier bei knapp unter 4 MHz.

Steil nach oben

Schon Sendeleistungen von rund 10 Watt haben sich in Fonie als ausreichend erwiesen, wenn die beteiligten Stationen alle steil strahlende Antennen benutzen. Für die Strecke südliches Rheinland - Westfalen (Euskirchen - Münster, rund 160 Kilometer, in März 2017) zum Beispiel ergeben die Berechnungen mit dem Tool von Gwen Williams, G4FKH [4] ein Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) von knapp 50 dB. Es könnten dann problemlos auch Übertragungsraten von bis zu 5,5 kBit/s in einem 2,4 kHz breiten Kanal erreicht werden. Das ist ausreichend, um etwa im Not- oder Katastrophenfall Textnachrichten, Wetter- oder Lagekarten bzw. angemessen aufgelöste Fotos zu übertragen.

Berechnetes Beispiel für die Strecke Euskirchen - Münster (ca. 160 km): Zwischen 0600 und 2100 UTC bietet hier das 60-m-Band beste Verbindungschancen über Steilstrahlung (NVIS). Gwen Williams, G4FKH, gibt in seinem Online-Tool [4] dabei die Information, dass beste Ergebnisse mit einem Halbwellendipol in Höhen von etwa sechs bis siebzehn Metern erreicht werden: je größer die Distanz, desto höher die Antenne.

Fading und Mehrwegreflektionen

Untersuchungen bei Radiosendern haben gezeigt, dass mit jedem „Sprung“ („hop“) das Signal um wenige Millisekunden verzögert wird. Mehrere Sprünge hintereinander waren keine Seltenheit. Zudem wurden Dopplereffekte (Fading) beobachtet [5]. Diese Ergebnisse haben großen Einfluss beispielsweise bei der Frage, welche digitalen Sendearten bei Notfunk im 60-m-Band eine sichere Datenübertragung erlauben. Denn diese Effekte führen zur sog. „Intersymbol Interference“ (ISI) und können digitale Signale unlesbar machen. In dieser Hinsicht haben sich gegenüber den störenden Effekten MFSK-Modi wie MFSK8 und MFSK16, Olivia, DominoEX oder THROB wie auch Pactor bzw. Winlink als robust erwiesen.

NVIS-geeignete Antennen

Doch nicht nur der Sendeart kommt eine besondere Aufmerksamkeit zu, sondern auch der Antenne. Funkamateure möchten in der Regel mit ihrer Anlage große Entfernungen überbrücken (DX). Sie verwenden dazu Antennen, die möglichst flach abstrahlen, z. B. Vertikalstrahler. Für stabile Kurzwellen-Verbindungen über nahe und mittlere Distanzen müssten die Funkwellen jedoch steil abgestrahlt werden. Neue Berechnungen zeigen, dass für die NVIS-Ausbreitung in unseren Breiten Dipole in einer Höhe von 0,18 λ bis 0,22 λ sendeseitig ein Optimum darstellt [6], das entspräche für das neue 60-m-Band einer Antennenhöhe um die elf Meter. Eine halb so hoch aufgehängte Antenne (fünf Meter) liefert immerhin noch ein um nur etwa 3 dB schlechteres Ergebnis - das entspricht lediglich einer halben S-Stufe.

Für NVIS-Verbindungen werden Funkwellen steil nach oben abgestrahlt, so dass sie von der F2-Schicht der Ionosphäre reflektiert werden und so Funkverkehr näher zueinander liegender Stationen ermöglichen. Schon Sendeleistungen von rund 10 Watt haben sich bei SSB als ausreichend erwiesen.

Für einen 24-stündigen NVIS-Betrieb sind in der Regel mehrere Bänder erforderlich (80, 40 und 30 Meter). Als optimale Betriebsfrequenz für NVIS gilt die MUF minus 15 Prozent. Die eingesetzte Frequenz liegt also unter der MUF (Maximum Usable Frequency) und über der LUF (Lowest Usable Frequency). Die aktuelle MUF für Entfernungen von 100 km, 200 km, 400 km, 600 km, 800 km, 1.000 km, 1.500 km und 3.000 km kann man u. a. über die Ionosonde in Juliusruh abrufen (die Zeilen unten auf der Seite, beginnend mit „D“ und „MUF“).

Die Steilstrahlungskomponente lässt sich noch erhöhen, wenn man unter dem Dipol auf der Erde einen Draht mit einer Länge von λ/2 + 5% als Reflektor verlegt. Zudem lassen sich so die Erdverluste erheblich reduzieren. Auch niedrig montierte Ganzwellenschleifen sind für den NVIS-Einsatz prädestiniert. So hatte die ehemalige polnische Botschaft im Süden von Köln eine solche Antenne jahrzehntelang in Betrieb.

Eine Anleitung zum Bau einer geeigneten NVIS-Antenne finden Interessierte beim österreichischen Amateurfunkverband ÖVSV [7]. Versuche mit Inverted-L- bzw. Sloper-Antennen sowie niedrig aufgehängten T2FD-Multiband-Dipolen haben ebenfalls positive Ergebnisse erbracht.

Fazit

Es ist durchaus lohnend, mit niedrig aufgehängten, einfachen Dipolantennen oder endgespeisten Drähten auf dem 60-m-Band zu experimentieren. Bereits mit der uns zugestandenen maximalen Strahlungsleistung von 15 Watt EIRP [9] lassen sich bei entsprechenden MUF-Werten zuverlässige Verbindungen innerhalb Deutschlands sowie ins angrenzende Ausland, über nahe bis mittlere Entfernungen also, aufbauen. Dabei werden durchaus Signalfeldstärken von S7 bis S9 erreicht, vorausgesetzt, dass beide Partner über Steilstrahlung (NVIS) miteinander in Verbindung treten.

Erste Versuche im 60-m-Band haben zudem gezeigt, dass der Störpegel im Vergleich zum 80- und 40-m-Band deutlich geringer ist. Und: Dank der Mitarbeit des DARC in entsprechenden Gremien notchen normgerechte PLC-Modems auch das 60-m-Band breitbandig aus.

Literatur und Bezugsquellen:
[1] ionosonde.iap-kborn.de/_latest.png
[2] digisonde.oma.be/latestFrames.htm
[3] 147.231.47.3/latestFrames.htm
[4] g4fkh.co.uk/5mhzpf
[5] tech.ebu.ch/docs/techreview/trev_296-briggs.pdf
[6] agentschaptelecom.nl/sites/default/files/near_vertical_incidenceskywave-_interaction_of_antenna_and_propagation_mechanism.pdf
[7] oevsv.at/export/shared/.content/.galleries/Downloads_Referate/Notfunk-Referat-Downloads/NVIS-Set_Beschreibung.pdf
[8] DC4FS - Berechnung der äquivalenten isotropen Strahlungsleistung EIRP: dc4fs.de/eirp.htm
[9] predtest.uk