Not- und Katastrophenfunk auf Kurzwelle
Funk kann Leben retten. Das beweisen täglich tausende von Anrufen aus den Mobilfunknetzen, die bei den Leitstellen von Polizei und Feuerwehr eingehen. Aber auch die Kurzwelle spielt in Not- und Katastophenfällen immer wieder eine wichtige Rolle, sowohl innerhalb als auch außerhalb unserer Amateurfunkbänder - etwa, wenn Infrastrukturen beeinträchtigt oder zerstört sind.
Schon bei der Hamburger Flutkatastrophe im Februar 1962 waren die Telefonnetze der Deutschen Bundespost ausgefallen. Die Kommunikation mit den Einsatzkräften wurde daraufhin mit Unterstützung des Fernmeldebatallions 3 der Bundeswehr (Funkfernschreiber und Flugfunkausrüstung) sowie Hamburger Funkamateure sichergestellt [1]. Diese Katastrophenlage war glücklicherweise ein seltener Fall.
KW im Einsatz - Beispiele
Doch ob Hochwasser, Stürme, Erdbeben oder andere Katastrophen - sie beschädigen und zerstören fast immer Telekommunikationseinrichtungen oder überlasten diese. Besonders hier zeigt sich die Stärke der Kurzwelle, die unabhängig von einer Infrastruktur regional wie länderübergreifend Verbindungen zur Unterstützung von Behörden und Hilfsorganisationen herstellen kann. So wurde während der Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001 die Einsatzkoordination zwischen Bundesbehörden, Stellen des Staates New York und anderen Organisationen über Kurzwelle geführt: Mobilfunknetze waren überlastet, Satellitenkommunikation durch die Hochhäuser in Manhattan nicht möglich [2].
Auch nach dem großen Seebeben vor Fukushima (Ostjapan, März 2011) fielen in weiten Teilen Mobilfunknetze und das Internet aus. 5,5 Millionen Haushalte waren ohne Strom und eine Million Haushalte in 18 Präfekturen ohne Wasser. Offizielle, die bei einer solchen Katastophenlage hätten helfen sollen, waren selber in Flüchtlingszentren untergebracht, die Einwohner über die Fläche zerstreut. Besonders die Bedarfe der Sammelstellen (Rettungsrufe, Nachschubanforderungen) wurden per Kurzwelle übermittelt. Auch die japanischen Streitkräfte verließen sich in dieser Situation auf den Kurzwellensprechfunk im Bereich zwischen 5 und 6 MHz für die Kommunikation zwischen Bodenstationen und fliegenden Einheiten [3].
Abb. aus der Powerpoint-Präsentation von Kenneth Nollet (Vortrag vom 20. Mai 2016 vor Mitgliedern und Gästen der Internationalen Amateurfunkvereinigung Tokio): "Von 9.11 bis 3.11 und darüber hinaus: (Transfusion) Medizin und Amateurfunk". Nollet beschreibt, wie lizenzierte Funkamateure eine Notfunk-Kommunikation zur Unterstützung der medizinischen Versorgung unmittelbar nach dem Seebeben bzw. Tsunami vom 3.11.2011 vor der ostjapanischen Küste sicher stellten.
Interoperabilität und spezielle Geräte
In vielen Ländern hat man die Vorteile der Kurzwelle in Not- und Katastrophenfällen erkannt. Sie verbindet unterschiedlichste Behörden und Organisationen miteinander, auch sind Funkamateure in Zivilschutzorganisationen eingebunden, wie etwa in den Niederlanden (DARES), in Spanien (REMER) oder Italien (Protezione Civile oder R.N.R.E.). Wichtig ist in diesen Fällen die sogenannte Interoperabilität - also die Möglichkeit, KW-, Mobilfunk-, Satelliten- und Festnetzgeräte miteinander zu verbinden. So hat z. B. das US-amerikanische Department of Homeland Security nach den Erfahrungen von 9/11 und dem Hurrikan Katrina Vorrichtungen geschaffen, mit denen man sich über Kurzwelle ins öffentliche Telefonnetz einwählen kann. Gerätehersteller wie Barrett, Codan, Vertex oder Motorola rüsten ihre Geräte mit entsprechenden Schnittstellen aus, Modems ermöglichen zudem Fax-, E-Mail- und Datenverkehr. Solch professionellen KW-Geräte überstehen starke Erschütterungen (Transport per Motorrad und Kettenfahrzeuge), ohne dass sich Kabelverbindungen lösen - oder auch den Sturz von einer Verladerampe (Test bis 75 g!) wie auch starken Temperaturschwankungen (von - 57 Grad auf 80 Grad Celsius) [4].
KW-Netze in Deutschland
In Deutschland unterhielt das Bundesinnenministerium bis Ende der 1990er Jahre ein Kurzwellennetz (Funkfernschreiben, verschlüsselt, Rufzeichen DER 20...99), deren Hauptsender in einer Bunkeranlage im Kirspenicher Wald nahe Euskirchen untergebracht waren. Auch das Internationale Rote Kreuz betrieb bis 2011 ein weltweites Kurzwellenfunknetz mit der Hauptfunkstelle in Versoix (Nähe Genf) in der Schweiz (Rufzeichen HBC88 - Sendearten AMTOR und PACTOR). In Deutschland waren im Rahmen des DRK-Hilfszuges Kurzwellenfunkstationen bei den DRK-Landesverbänden eingerichtet, die vor Ort von der Kommunikationsgruppe der jeweiligen Hilfszugabteilung betrieben wurden. Die Funkstelle des DRK-Bundesverbandes (DEK88) befand sich jahrzehntelang in Meckenheim-Merl bei Bonn, dem Standort der ehemaligen Bundesschule des DRK. Mit der endgültigen Schließung des Standortes 2006 wurde die Station ins DRK-Generalsekretariat nach Berlin verlegt. Nach Auflösung des DRK-Hilfszuges betrieben einige Landesverbände die Kurzwellenstation in eigener Regie weiter.
QSL-Karte der DRK-Station DEK88 / Foto: Helmut Vetter, DL6KS
Im Jahr 2010 wurde ein neues Kurzwellenfunknetz errichtet. Dieses DRK-HF-Net (Rufzeichen DEK...., Transceiver CODAN NGT SRx) ist als Rückfallebene für die Kommunikation zwischen dem Generalsekretariat des DRK in Berlin und den Geschäftsstellen der DRK-Landesverbände konzipiert. Hierzu stehen mehrere BOS-KW-Frequenzen (außerhalb der Amateurfunk-Bänder) zur Verfügung. Die primäre Betriebsart ist PACTOR unter Verwendung einer zusätzlichen Verschlüsselung. Ähnlich dem WinLink-System werden E-Mails mit Dateianhängen über Peer-to-Peer (P2P)-Verbindungen direkt von PC zu PC übertragen. Zwei Gateways erlauben den Übergang in das Internet (E-Mail-Gateway) bzw. in das öffentliche Telefonnetz [5].
Ebenso baut das Technische Hilfswerk (THW, Landesverband Bayern) ein Kurzwellen-Netz auf, das die elf Geschäftsführerbereiche und die Führung im Landesverband miteinander verbindet und als Rückfallebene für Notfälle dienen soll, in denen das Tetra-Netz und andere BOS-Netze teilweise ausfallen. Entsprechend der Kooperations-Vereinbarung zwischen THW und DARC vom Oktober 2014 leistet der DARC dabei Unterstützung. Den THW-Geschäftsstellen in Bayern wird für dieses Projekt je eine kleine Gruppe von DARC-Funkamateuren mit Erfahrung im Notfunk als Berater zugeordnet. Der THW-Landesverband Bayern hat vom Deutschen Wetterdienst (DWD) 13 kommerzielle Kurzwellen-Anlagen übernommen (je 1 x Rohde & Schwarz XK852, Steilstrahl-Antenne HX002A1 mit 5-Meter-Mast). Die Anlagen sind ortsfest, verladbar, für Einsätze im In- und Ausland einsetzbar und leisten bis zu 150 Watt Dauerstrich (CW, USB, LSB, AM und FSK). Ein automatischer Antennentuner ist direkt im Antennenkopf integriert [6].
Die DARC-Betreuer helfen bei Ausbildung und Weiterbildung der THW-Fachgruppen für Führung und Kommunikation und werden beim Aufbau und Inbetriebnahme der Anlagen sowie bei Übungen und Einsätzen unterstützen.
Fazit
Weltweit rückt die Kurzwelle wieder verstärkt in den Fokus des Not- und Katastrophenfunks. Satellitenverbindungen erlauben nur Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, sind inklusive der Endgeräte recht teuer und von der Topografie abhängig. Die Kurzwelle dagegen erlaubt Verbindungen zu vielen, über weite Distanzen, ist unabhängig vom Gelände, finanziell günstig und kann auf eine weitere Infrastruktur verzichten.
[1] Vgl. Reinhard Klein-Arendt: Not- und Katastrophenfunk auf Kurzwelle. VTH Verlag, Baden-Baden, 2013, S. 19.
[2] Ebenda, S. 21
[3] Ebenda, S. 23
[4] Ebenda, S. 81f.
[5] de.wikipedia.org/wiki/Notfunk
[6] Notfunkrundspruch Nr. 91 des DARC